Interview mit Veronique Wichmann vom Amsterdam Headshop Hamburg
Seit 2005 ist der Headshop Amsterdam eine Institution auf der Repperbahn. Als der Laden umzog und sich vergrößerte startete von dort aus die Mediseed GmbH den Verkauf von medizinischen Hanfsamen. Am 29.6.2015 öffnete der Automaten gestützte Verkauf. Natürlich währte das ganze nicht lang und am 9.07.2014, also 11 Tage später kassierte die Polizei sämtliches Inventar. Einige Zeit war der Fall in der öffentlichen Wahrnehmung, allen voran in der Hamburger Morgenpost das große Thema.
Hallo Veronique, du standest kürzlich, am 10. und 17. 11. 2015 vor Gericht, warum?
Die Anklage lautete auf „unerlaubtem Handel mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“. Und das lediglich bei Samen, in denen gar kein THC vorhanden ist. Es widerspricht damit meiner Wahrnehmung, weil keine Drogen verkauft wurden. Und schon alleine weil das ganze sehr öffentlich ablief, schließlich haben die Zeitungen berichtet, kann das kein Verbrechen sein. Die Polizei brauchte dann auch länger, um zu eruieren, ob das wirklich verboten ist. Wir haben ausdrücklich darauf hingewiesen dass nur der medizinische Anbau nach Antragstellung bei der BfArM/ Bundesopiumstelle erlaubt ist.
Hanfsamen gelten in Deutschland ja als verboten, was hast du dir von der Aktion versprochen?
Es darum, dass dieses Thema geklärt werden muss. Es ist europaweit erlaubt Samen zu handeln. Nur hier nicht. In Österreich werden sogar ganze Pflanzen verkauft, solange sie nicht blühen.
Eigentlich war angedacht, dass alles nur theoretisch durchzumachen. Aber wir haben dann den entsprechenden Handelsregistereintrag gemacht und der ging durch. Beim Gewerbeamt bekamen wir dann ein Reisegewerbe für den Handel von Cannabissamen in der Europäischen Union ausgenommen zum illegalen Anbau. Also fragten wir den Anwalt; und der sagte: naja dann macht einen Laden auf.
Das Ziel ist ganz klar die Änderung eines Gesetzes. Es geht darum diese Absurdität in Frage zu stellen. Ihr hättet das sehen sollen. Da kamen Leute rein, knieten nieder und beteten die Automaten an. Sie sagten: „Das ich das noch erleben darf!“
Wir haben klar auf die Rahmenbedingung hingewiesen, Zutritt ab 18 und nur mit Erlaubnis. Wir hielten Antragsformulare bereit.
Ich mein hier gibt’s z. B. Einen Messer und Waffenladen, aber da steht nirgends, dass man Messer nicht als Waffe einsetzten darf. Und überhaupt, wenn das in Europa jeder darf, dann geht es um die Gewerbefreiheit.
Daher sind wir dann auch beide in Berufung gegangen. Es geht also auf dem Landgericht weiter.
Wie argumentierte das Gericht/ Staatsanwaltschaft?
Knallhart kriminell; dort steht: „im großen Stil mit Cannabissamen gehandelt, was auf eine erhöhte kriminelle Energie schließen lässt.“ Im BTMG steht aber: „Cannabissamen sind verboten, wenn sie zum illegalen Anbau bestimmt sind.“ Im Umkehrschluss sind sie für den legalen Anbau erlaubt – es ist einfach schlecht formuliert.
Was war eure Argumentation?
Wir sind der Auffassung dass Cannabissamen legal sind. Das hat man uns dann auch zu gute gehalten; im Grunde geständig und dass es groß angekündigt war; nicht vorbestraft.
Und dass Cannabissamen eine weiche Droge darstellen. Aber sie enthalten kein THC.
Erst ab Keimung wird das zum illegalen Anbau.
Was war das Urteil?
Die Staatsanwaltschaft forderte 1 Jahr 7 Monate auf Bewährung. Das Urteil fiel auf 300 Tagessätze zu 10 €, also 3000€. Das ist nicht viel.
Aber es geht ja auch um Gewerbefreiheit. Und das hier widerspricht der internationalen Waren- und Wirtschaftsfreiheit.
Du bist in Berufung gegangen, was versprichst du dir davon?
Ja klar – Cannabissamen müssen legal handelbar sein! Wir müssen das ausdiskutieren.
Die Richterin hätte uns am liebsten frei gesprochen. Aber am Amtsgericht werden keine Gesetze geändert. Am Landgericht auch nicht, daher wollen wir dass das Gericht den Fall zur Klärung an den Bundesgerichtshof weiter gibt. Aber das kann Jahre dauern.
Und sonst gehen wir an den Europäischen Gerichtshof.
Wir haben damit kein Problem. Auch unser Anwalt sieht das mit Humor.
Wie ist die öffentliche Wahrnehmung des Vorfalls?

Polizei verlädt Täter
Fett. Hamburger Morgenpost, Bildzeitung, Abendblatt, BZ Berlin ich weiss das nicht mehr so genau. Auch die THCene und Soft Secrets hatten was drin.
Wir bekommen viel Unterstützung aus dem Kiez. Die Leute fragen immer. Und was sie tun können, Spenden sammeln oder so. Für viele bin ich eine Heldin auf dem Kiez.
Wir haben jetzt auch einen CSC Hamburg gegründet. Und eingetragen. Es formiert sich was. Die Piraten und die Grünen sind da mit hinterher. Es gibt ja auch immer mehr Einstellungen vor Gericht; auch mit 2-3 Pflänzchen.
Erhältst du Unterstützung von z.B. dem DHV oder anderen Aktivistengruppen?
DHV interessiert sich nicht dafür; naja die meinten, die Zeit ist noch nicht dafür reif – komisch. Das sehen wir anders. Das Hamburger Abendblatt hat da so nen Kiezblog, die sind auch pro.
Was können wir tun, um dich zu unterstützen?
Beten. Nein; (lacht) Ich hoffe ja, dass beim nächsten Prozess viele Leute kommen – viele haben ja immer Angst. Aber es geht darum, dass sich die Bürger melden und ihre Rechte einfordern. Cannabis ist eine weiche Droge und sehr gute Medizin. Es sollte legal sein.
Jeder hat die eigene Verantwortung zu tragen. Drogenmündigkeit entsteht nun mal nicht in der Prohibition.
Wir haben hier so viele Leute die abends mal kiffen, seit Jahrzehnten. Die sind teilweise 60 oder 70, das sind Ingenieure, Büroangestellte, usw. die haben Haus und Familie, Frau und Kinder, die haben alles auf die Reihe gekriegt in ihrem Leben. Und erst jetzt, wo sie in Rente sind, stehen die dazu, dass sie Rauchen. Davor ging das nicht aus Angst vor Repression. Das ist doch schade, wenn man sich sein Leben lang verstecken muss, nur weil man abends nicht der Alkoholiker ist, sondern lieber eine Tüte raucht.
Cannabis ist ja gerade auch auf dem Kiez seit Jahrzehnten ein heißes Thema. Was hältst du von der Drogenpolitik im Hinblick darauf?
Wir haben hier eher ein Problem mit harten Drogen. Crack ist wieder ein Thema, das ist wie in den 80ern. Klar Cannabis wird viel gedealt, aber das ist kein Problem. Die Gesellschaft ist längst reif für Hanf.
Wo kommt der größte Widerstand her?
Es sind ja auch viel Anwälte dagegen. Da geht’s um Geld. Die würden viel Arbeit verlieren. Es geht um den Selbsterhaltungstrieb des Gerichtszirkus. Und es herrscht in den Gerichten ja auch noch viel Unkenntnis. Da sind Leute dabei, die denken doch immer noch Hasch wird gespritzt. Völlig abwegig, was man da erlebt.
Woher kommt die Lösung?
Keine Ahnung, aber sie wird kommen. Die Amerikaner sind ja schon ganz weit. Colorado macht´s vor. Die Kassen sind leer und die wollen sich irgendwoher sanieren. Medizinisches Cannabis wird kommen und wenn der Stein erst mal rollt, ist er nicht mehr auf zu halten.
Gutes Stichwort; welche Auswirkungen wird das ganze auf das Gesundheitssystem haben?
Das wird sich extrem ändern. Wir haben da zum Beispiel eine Kundin im eigenen Umfeld. Die hat seit langem MS. Und die ist immer mit so krassen Medikamenten vollgestopft worden; die konnte nicht mal mehr essen, weil sie Morphium bekam und ihr daher immer schlecht war. Und man dachte wirklich, wenn du sie gesehen hast, ein zwei Jahre noch und dann ist sie weg. Und ihr Sohn hat sie irgendwann mal dazu gebracht einen Joint zu rauchen. Und seit dem ist sie vom Morphium weg, kann wieder essen, hat wieder richtig gute Farbe, hat keine Schübe mehr. Der geht’s wieder richtig gut.
Daran sieht man ja welche Rolle die Pharmaindustrie spielt – die wollen ihre richtig teure Chemie verkaufen und nicht ein billiges Naturprodukt. Die Krankenkassenbeiträge könnten die Hälfte sein.
Herzlichen Dank für die klaren Worte und deinen Mut diese Thematik mit Fakten zu untermauern. Wir wünschen dir weiter viel Glück und vernünftige Richter.
(Juni 2016)