Medi-Wiet:Wie medizinisches Cannabis die Gesellschaft verändert
Wernard kann man gut und gerne als Hanf-Papst der Nierderlande bezeichenen. Er war der erste, der einen Coffeeshop 1973 gründete, das „Mellow-Yellow“. Dies kam vor allem deshalb, weil für das Betreiben eines „Coffeshops“ oder „Teahuis“ keine weiteren Nachweise oder Voraussetzungen erfüllt werden mussten. Erst durch den Verkauf von Haschisch wurde der Name Coffeeshop ein Synonym für ein Geschäft in dem „weiche Drogen“ verkauft werden. Dies war zunächst nicht legal, wurde aber im Laufe der Zeit zur sogenannten „Toleranzpolitik“.

erstes Sinsemilia Gewächshaus Hollans 1980
Mit den Hanfsamen aus Amerika, die „Old Ed“ 1980 aus Kalifornien mitbrachte, baute er auch das erste „Nederwiet“ also „Gras
aus den Niederlanden“ an. Zunächst lief dies alles mehr unter Hanf-Aktivismus, da zu der Zeit einfach noch niemand wirklich wusste, wie man samenloses Gras, Sensimillia herstellt. Später entstand daraus die „Lowlands Seed Company“ die erste Samenbank für Cannabissamen. Mit Positronics begründete der rastlose Hippy dann auch konsequenter Weise den ersten Groß- und Einzelhandel für Gartenbauartikel in Europa und die weltweit bekannte „Soft Secrets“, ein Magazin ausschließlich für den Hanfbauern. Heute hat sich demgegenüber vieles verändert. Wernard war einfach nicht der skrupellose Geschäftsmann, der in unserem System gefordert wird. Der Großhandel ging im Zuge der Dotcom-Krise um 2000 bankrott. Der Konkursverwalter verkaufte Positronics und die „Soft Secrets“. Positronics ist heute eine führende Samenbank mit Sitz in Spanien, die die begehrten alten Gene und Strains weiterentwickelt.
Wernard ließ sich aber nicht unterkriegen, seine Mission war eine andere. In Holland waren die Hochzeiten der Coffeeshops und die Stoner der ganze Welt kamen für den Rausch in das kleine Land. Landesweit gab es etwa 1500 Geschäfte, davon ca. 600 allein in Amsterdam. Dem Pionier war jedoch schon längst der medizinische Nutzen der Hanfblüten klar. Daher widmete er sich zunehmend seiner 1995 gründeten Vereinigung „Medi-Wiet“. Es schrieb Bücher wie „heilender Hanf“ (Hanf heilt – Die Wiederentdeckung einer uralten Volksmedizin), und wurde so zu einem der führenden Alternativmediziner auf dem Gebiet Cannabis.
Heute ist der medizinische Nutzen von Cannabis wichtiger denn je; Aus den Hanfblüten wird durch Extraktion mit Alkohol ein hoch konzentriertes Öl gewonnen, das Wernard fünffach mit Olivenöl reduzierte, um es genauer dosieren zu können. Dies geschieht vor allem um die Dosierung so zu gestalten, dass die Patienten eben nicht „high“ werden. Die Patienten verwenden das Öl meist oral, um die schädlichen Auswirkungen des Rauchens auszuschließen. Viele schwere Krankheiten können auf diese Weise wirklich geheilt werden. Seit einigen Jahren haben Studien auch bewiesen, dass Cannabis, vor allem die Wirkstoffe THC (Tetrahydrocanabinol) und CBD (Cannabidiol) Krebszellen zerstören. Aber sie können noch viel mehr. Zu den gängigen Krankheitsbildern gehören, Schmerzpatienten, Multiples Sklerose, Morbus Crohn, Depressionen, Schlaflosigkeit, Migräne, PTBS, Glaukom, Tourette, Epilepsie, Rheuma, Arthritis/Arthrose und viele andere. Heute betreibt Wernard ein Cannabis-Therapie-Zentrum in Haarlem, der heimlichen Cannabis-Hauptstadt der Niederlande. Dabei betreut Medi-Wiet heute ca. 15.000 Patienten, das sind in etwa so viele wie das staatliche Cannabis-Programm Bedrocan (Diese Zahlen entsprechen ca. 200.000 Patienten in Deutschland – aktuell gibt es dort aber nur etwa 650).
Hallo Wernard. Kannst du uns erzählen, was es mit Medi-Wiet auf sich hat.
Es war so ungefähr 1995 als ich mit einem ganz neuen holländischen Wort im Kopf aufwachte: Mediwiet (medizinisches Gras). Seitdem helfe ich kranken Menschen, denen mit gewöhnlicher Medizin nicht geholfen werden kann. Ich lerne ihnen wie sie das Öl benutzen und es selbst herstellen können.
Welche Patienten hab ihr hauptsächlich?
Etwa 50% meiner Patienten haben Krebs, die anderen 50% haben sehr verschiedene Krankheiten. 95% unserer Patienten hatte vorher noch nie Berührungen mit Cannabis. Jetzt sind sie allerdings alle sehr Pro-Cannabis eingestellt.
Wieso vertrauen euch die Patienten mehr als dem staatlichen Programm?
Na weil sie ihre Medizin selbst herstellen können und das Öl zudem viel kräftiger ist als das Bedrocan-Gras aus der Apotheke.
Die Gesundheitssysteme sind weltweit steigenden Kosten ausgesetzt. Was kann Cannabistherapie daran ändern?
Mediwiet-Öl ist billig, sehr wirkungsvoll und dabei völlig harmlos; eben eine wirkliche Volksmedizin. Daher ist es auch nicht dazu geeignet durch die Pharmaindustrie ausgebeutet zu werden. Wenn die Menschen sich mit Öl besser für sich selbst sorgen können, brauchen sie die teure und sehr spezialisierte Medizin der Industrie nur, wenn es wirklich notwendig ist.
Warum nehmen diese schweren Erkrankungen wie Krebs eigentlich immer mehr zu?
Hippocrates (460 v. Chr.) der Begründer der Medizin als Wissenschaft sagte schon: Egal was der Vater einer Krankheit ist, die Mutter ist immer die Ernährung.
Warum verwendet ihr Cannabis-Extrakt-Öl anstatt Blüten?
Wenn man Cannabis zur medizinischen Verwen-dung inhaliert, dann bläst man 70-80% der Wirkstoffe ungenutzt wieder aus, zudem wird man high davon. Mit Öl kann der Patient dagegen genau dosieren, ein high werden vermeiden und die Wirkstoffe werden 3-5 mal effizienter und günstiger genutzt.
Ihr habt ein Extraktionssytem auf Alkoholbasis entwickelt. Was sind dabei die Vorteile?
Mit dem „Cannalator“ weiß man genau wie viel Alkohol benötigt wird, um alle Wirkstoffe aus den Blüten zu extrahieren. Das macht oft bis zu 50% Ersparnis aus. Das entstehende mit z.B. Olivenöl verlängerte Cannabis-Öl hat auch immer eine ähnlichen Wirkstoffgehalt, egal ob man das in Holland, Deutschland, Amerika oder China herstellt.
Wieso wirkt Cannabis im Vergleich zu chemischen Arzneien so viel besser.
Schau, Cannabisöl ist kein Wundermittel! Chemische Arzneien sind z.B. wirksamer gegen Bakterien. Aber Cannabsiöl enthält Phytocannabinoide, die den körpereigenen Endocannabinoiden sehr ähnlich sind. Die stellt der Körper selbst her, um damit alle wichtigen Prozesse zu steuern, so ist das bei jedem Säugetier. Es gibt ungefähr 120 verschiedene Cannabinoide und jedes hat seine eigene Wirkung oder Interaktion. Es ist also nicht das Cannabisöl das heilt, es stimuliert vielmehr den Körper sich selbst zu heilen.
In Deutschland
wäre es undenkbar, dass sich Cannabispatienten selbst helfen, zumindest nicht in aller Öffentlichkeit. Wie läuft das bei euch in den Niederlanden?

Hanfpflänzchen
Jeder Kranke hat doch das universale Recht alles zu unternehmen und zu nutzen, dass seinen Zustand verbessern kann. Es gibt sicher 10.000 synthetische Arzneien, aber es gibt keine, bei der sich die Menschen einfach besser fühlen, in einen besseren Gemütszustand kommen. Aber wenn das passiert, dann ist die halbe Schlacht gewonnen im Kampf gegen die Krankheit. Die Menschen haben eine große Fähigkeit sich selbst zu heilen, aber dazu müssen sie in einer guten Schwingung sein. Die Stimmung ist es die diese Selbstheilungskräfte frei setzt.
Cannabistherapie derzeit in Deutschland nur etwa 600 Patienten erlaubt. Aber die können es sich meist nicht leisten, weil die Krankenkassen die Bedrocan-Blüten oder Sativex aus der Apo-theke zu 15€/ Gramm nicht bezahlen. Haben die Regierungen eigentlich ein Recht solche Therapien zu verbieten?
Nein natürlich nicht! Das ist absurd.
Können sich auch Deutsche Patienten in Not an Medi-Wiet wenden?
Nein, wir verkaufen oder produzieren selbst kein Cannabisöl. Aber jeder Patient kann einen Cannalator bestellen und Cannabis im Coffeeshop kaufen und selbst Mediwietöl herstellen. Vielleicht kennt man ja auch Leute die es anbauen? Das beste ist es natürlich, wenn man es selbst anbaut im Garten. Das ist sehr billig und ein Patientenrecht. (Anmerk. d. Red.: In Holland sind 5 Hanfpflanzen gerichtlich toleriert.)
Wie fühlst du dich nach einem halben Leben im Streben nach einer Hanf-Legalisierung?
Manchmal denke ich, ich komme von einem anderen Planeten um die Dinge hier, auf dem Planeten den sie Erde nennen zu ändern. Und genau das mache ich, es ist meine Aufgabe.
Ich schaue auf die Menschen hier oft mit mit einer Art von Erstaunen. Ich frage mich warum sie sich so dumm benehmen? Warum lassen sie sich so manipulieren? Es ist ihre gottgegebene Fähigkeit sich ihre eigene Realität zu schaffen. Das ist quasi ihre Freiheit. Aber warum geben sie sie weg indem sie vor Autoritäten parieren?
Früher dachte ich, wenn man ihnen nur was zum rauchen gibt, dann könnte man ihren Geist ändern. So wie es bei mir selbst gewesen ist. Damals wollte ich Lehrer werden, aber dann hab ich angefangen Hanf zu rauchen. Und dann merke ich, dass ich nicht Teil einer Maschinerie sein wollte, die die Menschen dazu erzieht zu gehorchen. Ich bin immer noch ein Lehrer, aber in einer anderen Art.
(Mai 2016)