Gibt es überhaupt eine Solidarität unter Hanfbefürwortern?
Zur bitteren Realität gehört in einer von Repressionen geplagten Branche wie der unseren eben auch immer das Scheitern. Wenn Aktivisten in den vergangenen Jahren eine Demo oder eine Petition ins Leben riefen, konnte man sich sicher sein, dass dies von Ordnungsbehörden und Verwaltungen sabotiert wird. Selbst erkämpfte Rechte wie die Ausnahmeerlaubnis für Cannabis als Medizin wurde gerne von der BfArM in langwierigen Prozessen erschwert. Höchstrichterliche Weisungen, wie die zur geringen Menge wurden mit Ersatzstrafen wie Führerscheinentzug, MPU oder Geldauflagen massiv untergraben.
Auf die Frage nach dem theoretischen Ursprung einer „geringen Menge“ hat der Gesetzgeber selbst nach 21 Jahren keine Antwort gefunden. Jeder, der Hanf nicht so sehen will, wie unsere erzkonservativen Regierungsparteien, der muss stets einschneidende Repressionen fürchten. Ganz abgesehen von der gesellschaftlichen Stigmatisierung bzw. den Vorstrafen und damit verbundenen Einstellungsschwierigkeiten, bis hin zu Berufsverboten.
Eine Erfahrung, die jetzt Medizinpatienten wieder machen müssen, wenn sie die Ablehnungen der Kostenübernahme der Krankenkasse erhalten.
Das ist das eine. Aber es gibt noch eine andere Seite. Jedes Mal, wenn jemand eine Idee aus unseren eigenen Reihen vorbringt, dann muss er sich einer oft unbarmherzigen Gemeinde erklären. Nicht selten werden solche „Neueinsteiger“ erst mal kritisch beäugt und dann wird ihr Ansatz kritisch zerpflückt. Am Ende heißt es oft: „Bringt nichts!“ oder „Dann hätten wir das schon längst gemacht!“ Glück ist, wenn der Betreffende dann doch einige oder sogar die richtigen Mitstreiter findet. Menschen mit Überzeugungen lassen sich nicht von Widerständen entmutigen.
So erschien vor drei Jahren Wenzel Cerveny mit der Idee einer Hanfmesse in München und einem einhergehenden bayerischen Volksbegehren zur Legalisierung von Hanf im Freistaat. Er braucht dafür rund 30.000 Unterschriften, die sind doch wohl zu schaffen.
Um Unterstützung von der Straße zu bekommen, steht Wenzel mehr als 250 Tage in der Münchener Fußgängerzone, in anderen bayerischen Großstädten und auf Festivals. Eigens werden bayernweit Cannabis Social Clubs (CSC) gegründet, um auch in der Fläche Unterschriften zu erhalten. Zusätzlich ein straffes Programm, er eilt von einer Hanfveranstaltung zur anderen – stets für sein Projekt werbend und auf Sponsoren- und Ausstellersuche.
In der Hanfszene unbekannt half auch seine enthusiastische und mitreißende Rhetorik nicht, die Hanfaktivisten hatten weitgehend ihr Urteil gefällt: „Nicht glaubwürdig, macht der NIE. Petition! In Bayern! Der will ja nur Geld verdienen! Das wird doch nix, da traut sich doch kein Aussteller hin! In Bayern sperren die doch alle ein!“
Da hilft auch keine Erklärung, dass sich die Gegenseite niemals trauen würde, eine verfassungsgemäße politische Initiative mit Verhaftungen oder Razzien erst wirklich groß werden zu lassen, um ihr sichere und umfassende Medienpräsenz zu verschaffen.

Jeder Seite über Hanf ist eine gute Seite
Dabei ist Wenzel populär. Nahezu jede bayerische Zeitung berichtet über ihn, alle und große Veröffentlichungen, ganze Seiten: „Der Rebell aus Bayern!“ Das Thema wird bald auch bundesweit in Welt, FAZ, Bild, Sat 1 oder der RTL diskutiert. Für eine One-Man-Show jedenfalls beachtlich: Die Clubs haben Zustrom, die Unterschriften werden mehr. Das wird schon, alles.
Am Ende hielt Cerveny sein Wort, und die Messe fand statt. Keine Massenkontrollen.
Eine entspannte Messe mit Rednern, Kochshow, Gartenprogramm, Livebands, darunter Hanflegende Hans Söllner, eine gelungene Messe. Die Aussteller kamen von überall her – auch aus dem Ausland. Allerlei Richtungen waren vertreten. Baustoffe, Headshops, Lebensmittel, Getränke, Hersteller. Aber halt insgesamt zu wenige – kein finanzielles Vergnügen. Auch die Besucherzahl reichte am Ende nicht. Die Angst vor Repression hatte gesiegt. Gleichzeitig war die Cannabis XXL 2015 eine Demonstration für Freiheit von Hanf in Bayern.
Doch noch war das Volksbegehren offen, die letzten Stimmen wurden beglaubigt, satte 35.000 gesammelt. Davon wurden 27.000 gültige Unterschriften mit einem gebührenden Demonstrationszug durch München beim Innenministerium abgegeben. Am Ende wand sich die CSU unter Seehofer so aus der Affäre. Sie ließ sich vom bay. Verfassungsgerichtshof bestätigen, dass sie das gar nicht entscheiden könnten, ob Cannabis in Bayern legal ist. Das Ergebnis kann man sich denken. Schlicht-weg nicht zugelassen. Kein Diskussionsbedarf in dieser Sache.
Dennoch wurden auch diese Vorgänge breit in der medialen Öffentlichkeit gespiegelt. Man könnte sagen, ein moralischer Sieg. Oder Sieg nach Punkten.
Wenzel macht weiter!
Seitdem sind beinah zwei Jahre vergangen. Wenzel Cerveny steht schon wieder seit einem halben Jahr auf der Straße. Eine neue Petition, diesmal deutschlandweit. Und zwar soll das Cannabis aus dem BTMG herausgenommen und im Lebensmittelrecht angesiedelt werden. Damit könnte es ähnlich Bier behandelt werden und all dies ohne große Austritte aus irgendwelchen internationalen Abkommen. Einleuchtend einfach, weil das vor allem schnell gehen kann.
Zudem geht es ihm heute noch mehr um die unzähligen Patienten und alten Menschen, die ihn um Hilfe bitten. Man kennt sich seit Jahren. Viele Erfolgsgeschichten, wie ein Mann dessen Bein amputiert hätte werden sollen. Bei ihm waren Schrauben, die das Bein zusammenhielten, entzündet geblieben. Nach neun Monaten Behandlung mit allem Möglichen, das volle Programm, waren alle Stellen tief eitrig und entzündet. „So jemandem schenke ich dann ein Fläschchen CBD-Öl“, sagt Wenzel Cerveny. Und es hat gewirkt, die Entzündung ging zurück. Der Mann behielt sein Bein! Cannabis schaffte, was alles Antibiotikum und ähnliches nicht schaffen. Einfach, billig, schnell. Das wurde nach drei bis vier Tagen sichtlich besser und dann echt gut. Auch seiner Mutter konnte Wenzel Cerveny mittels Cannabis-Öl gegen ihre fortgeschrittene Demenz helfen. Sie erkennt ihn wieder. „Ich bin überzeugt, ich brauch keine Studien mehr. Es geht doch darum, den Menschen zu helfen“, so Wenzel Cerveny.
Damit den Menschen schnell geholfen werden kann, braucht er vor allem kundige Ärzte. Die Gründung des DCI – Deutsches Cannabis Instituts soll ein Cannabis Therapie Center in München betreiben. Mit ausgebildeten Ärzten, Fortbildungen, Kursen, Vorträgen usw. Alles für die Durchführung von Studien.
Finanziert werden soll das DCI durch ein Crowdfunding www.transvendo.de/dci. „Ich dachte mir, 100€ hat doch jeder. Die 1000 Menschen finden wir locker.“ Anleihen zu 100€ mit 5% Zins, Rückzahlung nach 5 Jahren mit Gewinnbeteiligung, eigentlich ein guter Deal. Tatsächlich sind es jetzt doch auch größere Anlagebeträge. Es könnte aufgehen. Noch bleiben 4 ½ Monate.
Die Unterstützung gerade aus der sonst so eifrigen Hanfszene ist auch diesmal gering. Es geht sogar unter die Gürtellinie mittels Verleumdung, Hetze und Spalterei. „Damit komm ich klar, aber ich erwarte auch nichts mehr. Mir geht’s drum, den Hanf zu entstigmatisieren und die Sachen auf vernünftige Beine zu stellen.“
Auch bezüglich der vom 28. – 30. Juli stattfindenden II. Cannabis XXL ist er guter Dinge: „Wir machen eine Hanf-Biomesse – Show-Event – ein internationales Medizin-Happening. Die ausländischen Aussteller haben scheinbar nicht so viel Paranoia. Das freut mich. Die verstehen zum Teil besser, was ich machen will. Die Zielgruppe sind ohnehin Gartenenthusiasten, medizinisch Interessierte, politisch und ökologisch Begeisterte. Eben jeder, der mit Hanf wirklich arbeiten und leben will. Freizeitkonsumenten sind nicht so unsere Zielgruppe. Obwohl ja auch, …logisch.“
Die Petition läuft gut: 31.608 Unterschriften nur online. Hinzu kommen Zigtausende auf der Straße.

Hanf-Bio-Landen in der Einsteinstraße 163 München
Gerade eben hat auch der neue Hanf-Bio-Landen in der Einsteinstraße 163 eröffnet. Einfach unermüdlich treibt er das Projekt voran. „Die Menschen brauchen eine Anlaufstelle, die auch da ist, wenn ich grad nicht da bin.“ Tags drauf ganze Seite in der tz und im Münchner Merkur, der Spiegel folgt.
Wenn ich ehrlich bin, hat dieser Mann unsere Hochachtung verdient. Nicht weil er alles riskiert für seine Mission. Nein, vor allen dafür, dass er Hanf immer wieder rauf die Agenda setzt. Ich kenne leider keine Organisation, die das mit noch so vielen Mitgliedern, so regelmäßig schafft. Und wir sollten uns überlegen, ob wir es uns leisten wollen, so jemanden zu verlieren.
Ich werde ihn unterstützen. Meinen Respekt hat er. Gerade in Bayern. Und weil er unbequem ist. Und gegen den Strom schwimmt. Weil er den Politikern die unangenehmen Fragen stellt, sie konfrontiert, mit politischen Willensbildungsprozessen.
Es gibt viele Neider, heißt es. Mag sein. Aber was es leider zu wenig gibt, ist Solidarität. Warum tun sich viele in unserer Bewegung so schwer damit?
Das meint dich direkt – willst du, dass Cannabis so selbstverständlich wie Bier behandelt wird? Dann unterschreibe die Petition www.ja-zu-cannabis.de
Andererseits braucht jede erfolgreiche Revolution eine Finanzierung. Das war auch in der Geschichte immer so. Und da wir keine großen Industrien hinter uns wissen, kann dieses Geld nur in Form von vielen kleinen Beträgen zusammen kommen.
Wenn du wirklich was tun willst, unterstütze den Hanftherapie-Center, das ist hanfsolidarisches Handeln. Besucht die Messe, erzählt es weiter und verliert die Angst. Ihr habt auch in Bayern, wie überall anders das Recht, euer Recht zu fordern. Wenn wir konsequent handeln, sind die Ziele näher, als wir denken. Nur wir müssen es selbst tun – wir ganz allein. Jeder für sich und alle zusammen.
Reicht euch die Hand. Lasst uns aufhören über Befindlichkeiten zu streiten. Versöhnt euch, arbeitet zusammen, bereichert einander. Es geht um die gemeinsame Sache – Hanf legal – einfach und umfassend – endgültig und für jeden.

Cannabis XXL München Hanfmesse

Ja zu Cannabis – deutschlandweite Petition
Text: Dominik Baur / 30.05.2017